Der Meistertitel zรคhlt zu den hรถchsten Bildungsabschlรผssen auรerhalb des akademischen Bereichs. Ein Meisterbrief zeigt, dass der Inhaber รผber weitreichende fachspezifische, kaufmรคnnische und betriebswirtschaftliche Kenntnisse sowie praktische Erfahrung in seinem Beruf verfรผgt.
Zudem ist der Meisterbrief die Voraussetzung fรผr die Fรผhrung eines Betriebs sowie fรผr die Tรคtigkeit in der betrieblichen Berufsausbildung. In Deutschland haben die Meisterberufe ihren Ursprung im Handwerk und genieรen hohes Ansehen. Neben dem Meistertitel im Handwerk gibt es seit einigen Jahren aber auch den Abschluss des Industriemeisters. Letzterer legt seine Meisterprรผfung aber nicht vor der Handwerkskammer, sondern vor der Industrie- und Handelskammer ab. Gemeinsam ist beiden Abschlรผssen, dass die Bewerber รผber praktische Berufserfahrung von einem oder mehreren Jahren verfรผgen mรผssen.
„Gemeinsamkeiten von Handwerks- und Industriemeister“
Qualifikationsniveau
Beide Meistertitel stehen sowohl im Deutschen als auch Europรคischen Qualifikationsrahmen auf Stufe 6, gleichauf mit einem Bachelorabsolventen oder Fachwirt. Ihre Qualifikationen aus Berufserfahrung und Praxis einer handwerklichen oder technischen Tรคtigkeit werden demnach gleichrangig bewertet wie die rein akademische Ausbildung eines studierten Bachelors.
Voraussetzungen und Vorbereitung
Gemeinsam ist beiden Abschlรผssen auch, dass die Bewerber รผber praktische Berufserfahrung von einem oder mehreren Jahren verfรผgen mรผssen. Mehrjรคhrige Berufspraxis im angestrebten Fachgebiet kann als Zulassungsvoraussetzung selbst eine fehlende Ausbildung wettmachen. Die Einzelanforderungen differieren allerdings und sollten daher gesondert betrachtet werden.
Sowohl zur Vorbereitung auf den Handwerks- als auch den Industriemeister finden sich Lehrgangskurse fรผr Vollzeit, nebenberuflich in Teilzeit oder Fernlehrgรคnge.
Finanzierung
Der jeweilige Meisterstatus ist durch eine Aufstiegsfortbildung zu erreichen. Aufwand, Umfang und Gewichtungen unterscheiden sich. Fรถrdermittel, Zuschรผsse und Kredite helfen bei der Finanzierung, ganz gleich ob es um eine Weiterbildung zum Handwerks- oder Industriemeister geht. Dazu stehen mehrere Mรถglichkeiten offen, die teilweise auch kombinierbar sind. Die gรคngigsten sind:
– Fรถrderung nach dem sogenannten Aufstiegs-BAfรถG (frรผher โMeister-BAfรถG) gewรคhrt einen bis zu 40-prozentigen Lehrgangskostenzuschuss und ein gรผnstig verzinstes Darlehen รผber den Restbetrag. Nach Bestehen der Abschlussprรผfung werden auรerdem 40 Prozent des Darlehens erlassen. Bei Vollzeit-Ausbildung wird unter bestimmten Voraussetzungen auch der Lebensunterhalt mit bezuschusst.
– Mit der Bildungsprรคmie des Bildungsministeriums sind bis zu 500 Euro Prรคmiengutschein mรถglich.
– Das Bundesverwaltungsamt stellt auf Antrag einen zinsgรผnstigen Bildungskredit zu Verfรผgung.
Erweiterung der Arbeitsfelder
Mit jedem der Meistertiteloptionen erweitert ein Absolvent seine Mรถglichkeiten, mehr Verantwortung zu รผbernehmen und seine Tรคtigkeit individuell auszudehnen auf Aufgaben jenseits der reinen technischen Ausfรผhrung โ insbesondere in die Bereiche Mitarbeiterfรผhrung, Planung und Management. Er gewinnt an Einblick in Betriebsablรคufe und รผbergeordnete Ziele, auf welche er auch maรgeblichen Einfluss nimmt. Handwerksmeister wie Industriemeister werden im Rahmen der Ausbildung auch als Ausbilder qualifiziert. Denn sie sollen wichtiger Bestandteil der praktischen Lehre von Auszubildenden und deren Potenzialentwicklung fรผr das Unternehmen werden.
Zugang zum Hochschulstudium
Beide Titel erรถffnen weitere Qualifizierungsoptionen bis hin zum Bachelor-Studium. Letzteres gilt im รผbrigen auch fรผr Fachwirte und staatlich geprรผfte Techniker. Denn seit Mรคrz 2009 steht Absolventen beruflicher Aufstiegsfortbildungen der Zugang zu einem Hochschul- und Universitรคtsstudium mit dem Abschluss Bachelor offen. Dazu mรผssen diese mindestens 2 Jahre Berufsausbildung und 3 Jahre Berufserfahrung vorweisen kรถnnen. Weitere Voraussetzungen sind ein bestandener Qualifizierungstest sowie ein erfolgreiches Probestudium von einem Jahr. Neben technischen Studiengรคngen wie Maschinenbau, Elektro-, Fertigungs- oder Produktionstechnik bieten sich beispielsweise auch Wirtschaftsingenieurwesen oder Betriebswirtschaftslehre an.
Aufstiegs- und zusรคtzliche Qualifizierungsmรถglichkeiten
Als Handwerks- oder Industriemeister mit Aufstiegsambitionen liegen auรer einem Hochschulstudium noch weitere Optionen nahe, die Kompetenzen sinnvoll ergรคnzen kรถnnen oder eine Spezialisierung erรถffnen. So kann Betriebswirtschaftslehre ein Standbein oder Grundlage einer Betriebsgrรผndung werden. Sowohl die Handwerkskammer, als auch die IHK prรผfen: zum Betriebswirt HWO (Handwerksordnung) oder Technischen Betriebswirt IHK. In der Baubranche macht sich womรถglich eine Qualifizierung zum Gebรคudeenergieberater HWK (Handwerkskammer) bezahlt, der zu Energieberatung und Ausstellung von Energieausweisen im Kammerbezirk berechtigt.
„Das Aufgabengebiet von Industriemeistern“
Industriemeister bekleiden in Industriebetrieben die Positionen von technischen Fรผhrungskrรคften. Je nach individueller Ausrichtung kรถnnen die Schwerpunkte unterschiedlich gelagert sein. Sie verschieben sich in jedem Fall von der reinen Fertigung und Technik mehr hin zu Organisation, Management oder Administration. Damit nehmen Industriemeister meist eine Mittelposition zwischen Belegschaft und Unternehmensleitung ein. Sie sind in Arbeitsgruppen und Abteilungen mit der organisatorischen Fรผhrung sowie Aufgaben im Personalwesen betraut. Ihre Verantwortlichkeit bezieht sich unter anderem auf die Materialbereitstellung sowie die Logistik. Auf der mittleren Managementebene รผbernehmen Industriemeister die Koordination von Produktionsablรคufen und planen den benรถtigten Personaleinsatz. Auch obliegt ihnen die Qualitรคtssicherung sowie die รberwachung von Wartungsarbeiten. Nicht zuletzt sind Industriemeister Ansprechpartner fรผr Arbeitssicherheit und Umweltschutz. Ihr Arbeitsort wechselt zwischen Bรผro einerseits und Produktions- oder Werkstรคtten, Lagern oder Laboratorien andererseits. Die Industrie hat mit das attraktivste, vielfรคltigste und zukunftsfรคhigste Angebot an Stellen und wird immer auf der Suche nach qualifizierten Praktikern mit Fรผhrungskompetenzen sein.
„Charakteristische Tรคtigkeitsmerkmale eines Handwerksmeisters“
Der typische Meister eines Handwerks ist selbststรคndiger Unternehmer. Entweder solo oder mit angestellten Facharbeitern, Gesellen und oft auch in der Funktion des Anbieters von Lehrstellen. Er leistet damit die Arbeit eines Fachspezialisten, eines Unternehmers und eines Ausbilders in einer Person: hochqualifizierter Spezialist und Allrounder zugleich. Dementsprechend abwechslungsreich ist sein Arbeitsalltag im eigenen Betrieb, beim Kunden, auf der Baustelle, im Bรผro. Von der Materialbeschaffung รผber Angebotserstellung, Rechnungswesen und Buchfรผhrung, Kundenberatung, Mitarbeiterfรผhrung und Azubi-Ausbildung, Prozess- und Sicherheitsรผberwachung bis zum Selbst-Hand-Anlegen. Handwerksmeister sind jedoch auch als in Unternehmen angestellte Fach- und Fรผhrungskrรคfte sehr gefragt. Sie leiten Baustellen, Ausbildungs- oder Planungsabteilungen, รผberwachen Prozesse oder Kosten oder sind Teil der Personalfรผhrung. Die Bandbreite reicht vom kleinen oder mittleren Meisterbetrieb bis zur groรen Aktiengesellschaft, vom รffentlichen Dienst bis zum Groรkonzern. In mehr als 110 Berufen ist es mรถglich, die Meisterprรผfung zu absolvieren und in zukunftssicheren oder gar -weisenden Branchen leitende Funktionen zu รผbernehmen.
„Handwerksmeister versus Industriemeister – die wesentlichen Unterschiede“
Selbststรคndigkeit
Auch Industriemeister haben zwar die Mรถglichkeit, sich im handwerklichen Bereich selbststรคndig zu machen. Allerdings benรถtigen sie aufgrund der Meisterpflicht fรผr viele Gewerke im Handwerk einen Handwerksmeistertitel. Nur bei zulassungsfreien Berufen (insgesamt 53 Handwerke laut Anlage B der Handwerksordnung) entfรคllt seit 2004 diese Pflicht. Mit Regierungsbeschluss vom Oktober 2019 soll die Meisterpflicht zur Selbststรคndigkeit indes fรผr eine Reihe von Handwerksberufen wieder eingefรผhrt werden. Handwerksmeister erhalten grundsรคtzlich einen Eintrag in der Handwerksrolle und damit die Erlaubnis, das Handwerk selbststรคndig auszuรผben. Dies ist seit der รberarbeitung der Handwerksordnung im Jahre 2004 auch fรผr Industriemeister der entsprechenden Fachrichtungen mรถglich. Jedoch weichen die Regelungen hierzu in den einzelnen Bundeslรคndern voneinander ab. Interessenten sollten sich deshalb bei ihrer zustรคndigen Industrie- und Handelskammer informieren.
Ausbildungsumfang und -inhalte
Was die betriebswirtschaftlichen Themen anbelangt, geht die Weiterbildung zum Handwerksmeister weit รผber die zum Industriemeister hinaus. Wรคhrend sich angehende Handwerksmeister intensiv mit Rechnungswesen und Buchhaltung beschรคftigen, haben die Inhalte der Industriemeisterkurse einen starken Bezug zu den Tรคtigkeiten eines Industriekaufmanns. Die Meisterprรผfungen sind auch vom Lernumfang her unterschiedlich konzipiert und aufgeteilt.
Der Handwerksmeisteranwรคrter absolviert insgesamt 4 Teilprรผfungen und die Aufstiegsausbildung dauert letztendlich lรคnger: In Vollzeit sind 4 Monate bis 2 Jahre zu veranschlagen, je nach Fach. Die ersten beiden Abschnitte und Prรผfungen sind fachspezifisch, die รผbrigen qualifizieren fachunabhรคngig zum Unternehmer und Ausbilder:
Teil I: Meisterarbeit und Meisterstรผck bezeugen praktisches Fachwissen
Teil II: Klausuren dokumentieren theoretisches Fachwissen
Teil III: Klausuren belegen Wissen in Betriebswirtschaft, Buchfรผhrung und Recht
Teil IV: Klausuren und Unterweisungsprobe weisen Kompetenzen in Berufs- und Arbeitspรคdagogik nach.
Teil III der Handwerksmeister-Ausbildung fokussiert demnach ausschlieรlich auf unternehmerisches Knowhow, wรคhrend der letzte Teil voll und ganz der Ausbilderfunktion gewidmet ist.
Auch die Ausbildungkurse zum Industriemeister sind zweigeteilt in einen fachlichen und einen fachunabhรคngigen Abschnitt, bereiten jedoch auf lediglich zwei Teil-Prรผfungen vor, die nicht zwingend zeitlich direkt aufeinander folgen mรผssen:
1. Basisqualifikation (BQ) als fachรผbergreifender Teil
2. Handlungsspezifische Qualifikation (HQ) als fachspezifischer Teil
Der angehende Industriemeister muss fรผr die Zulassung zum zweiten Prรผfungsteil einen AdA-Schein (AdA steht fรผr Ausbildung der Ausbilder) vorweisen, deren Vorbereitung Bestandteil seines Ausbildungkurses sein kann oder separat bei der IHK mitsamt Ausbildereignungsprรผfung nach AEVO absolvierbar ist. Mit diesem Schein erlangt der Inhaber das Recht zur Lehrlingsausbildung. Die Basisqualifikation vermittelt Kenntnisse in Recht, Betriebswirtschaft,Technik, Umwelt-, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Fรผhrungskompetenzen. Kostenmanagement, Rechtsbewusstsein, kooperatives Handeln und sonstige kaufmรคnnische Fertigkeiten stehen im Vordergrund. Zugleich sind hier kommunikative und Fรผhrungsqualitรคten gefragt. Fachspezifische Inhalte innerhalb der handlungsspezifischen Qualifikation betreffen je nach Fachgebiet Werkstoffkunde, Materialien, Technologien und Produktionsweisen oder Montagetechniken.
Vollzeitlehrgรคnge sehen, abhรคngig von der Fachrichtung, zwischen 3 und 12 Monate bis zum Abschluss vor.
Lezterer erfolgt in Form einer gestaffelten Prรผfung vor der regional zustรคndigen Industrie- und Handelskammer. Sie setzt sich zusammen aus Klausuren, mรผndlichen und eventuell praktischen Leistungsnachweisen รผber eine Zeitspanne von insgesamt mindestens zwรถlf Stunden. Meist sind bundeseinheitlich organisierte Termine zweimal im Jahr vorgegeben.
Einkommen
Aussagen รผber konkrete Gehรคlter als Meister nach HWO oder IHK sind immer mit groรen Unwรคgbarkeiten verbunden. Sie hรคngen von zu vielen Einflussfaktoren ab wie Branche, Fachrichtung, Vorerfahrungen, Verantwortungsniveau โ und auch Geschlecht. Interessanterweise liegt das fachunabhรคngige Brutto-Durchschnittsgehalt von Industriemeisterinnen mit etwa 3.250 Euro monatlich hรถher als das eines mรคnnlichen Kollegen (3.100 Euro). Unter dem Strich ergibt sich ein Mittelwert von 3.200 Euro. Industriemeistergehรคlter rangieren also zwischen Facharbeiter und Ingenieur. Doch wie schon angedeutet: Die mรถglichen Spannen sind bisweilen immens.
Mittlere Vergรผtungen von Handwerksmeistern bewegen sich um 2.500 (Metallbauermeisterin) bis 3.400 Euro (Zahntechnikermeister) monatliches Bruttogehalt und mehr, auch wieder fach- und geschlechtsspezifisch sowie branchen- und positionsabhรคngig. Hier ist allerdings die Rede von Meistern in Anstellung. Einkรผnfte aus selbststรคndiger Tรคtigkeit stehen auf einem anderen Blatt, unterliegen noch grรถรeren Differenzen โ nach unten wie nach oben โ und sind naturgemรคร mit hรถherem Risiko verbunden.
Was also bringt der Industriemeistertitel?
– erweitertes Aufgabenfeld
– teils gleichwertige Aufgaben wie Ingenieure oder Techniker
– hรถhere Verantwortung
– tiefere Einblicke in Unternehmensprozesse
– weniger technische Ausfรผhrung, mehr Organisation und Verwaltung
– Ausbildungsberechtigung
– Fรผhrungsfunktionen
– hรถhere Gehaltsstufe
– Studiumsberechtigung
– weitere Aufstiegsoptionen